Machine Learning, kurz ML: Das ist eigentlich nichts Neues. „ML gibt es schon seit 1959“, wie Hubert Würschinger vom Lehrstuhl für Ressourcen- und Energieeffiziente Produktionsmaschinen (RE²P) der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) zu berichten weiß. Und ML ist bereits in weiten Industriebereichen im Einsatz: „Zum Beispiel dort, wo wir fast täglich arbeiten: Bei Übersetzungen beispielsweise oder beim Telefonieren, wo wir Hintergrundgeräusche von der Sprache trennen“, erklärte er dieser Tage seinem virtuellen Publikum. Dieses – Studierende, Firmenvertreter*innen und Forschende – hatte sich zur Auftaktveranstaltung von „Wir heben Deinen Datenschatz“ getroffen.
Mit dieser neuen Initiative hofft das „Netzwerk Kreative Digitale Industrien“ von VDI-Bezirksverein Bayern Nordost e.V. und VDE-Bezirksverein Nordbayern e.V., dass „interessierte Studierende sowie Mittelstands-Unternehmen künftig gemeinsam neue digitale Geschäftsmodelle gestalten. Die dringen durch den frischen und oft disruptiven Blick von außen leichter ans Tageslicht, als wenn man sich seit Jahren oder Jahrzehnten im Betrieb befindet“, erläutert Netzwerk-Sprecher Matthias Barbian das Konzept.
Die Idee hinter der Initiative: Versteckte Datenschätze gerade kleinerer Firmen erkennen, heben und dur ch ML nutzen. Das bietet Vorteile für beide Seiten: Die Unternehmen bekommen durch Studierende frisches Denken und hohe technische Expertise ins Haus. Und die Hochschüler*innen erhalten schon während des Studiums erste, oft sogar umfassende Einblicke in Mittelstands-Firmen – und möglicherweise sogar eine Chance auf langfristige Bindung. Denn während Konzerne sich Berater leisten oder die eigenen IT-Abteilungen massiv ausbauen, stehen Mittelstandsunternehmer*innen oft recht hilflos vor der Frage: Wie schaffe ich die notwendige Digitalisierung meiner Prozesse?
Für dieses Dilemma bietet die Initiative nun Abhilfe. Ein wichtiger Partner ist dabei das in Augsburg angesiedelte „Kompetenzzentrum Mittelstand 4.0“ (KM4.0).
Das KM4.0 ist am dortigen Fraunhofer-Institut für Gießerei-, Composite- und Verarbeitungstechnik IGCV angedockt. Es wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie BMWi gefördert. Deshalb kann es für die Interessenten kostenlos arbeiten, und das auch noch als unabhängige Beratungseinrichtung. „Wir stellen die Verbindung zwischen Forschung und KMU her, die bisher fehlt“, hebt KM4.0-Mitarbeiter Simon Klose heraus. Das habe bislang in Südbayern bereits öfter geklappt. Mit Hilfe der Fraunhofer-Kolleg*innen vom IIS in Nürnberg und dem Netzwerk aus VDI und VDE soll das nun auch in Nordbayern besser funktionieren, so Klose.
Derzeit finden sich momentan gerade Teams aus Studierenden zusammen, die bald gemeinsam Digitalisierungs-Lösungen für KMU entwickeln sollen. Eigentlich war geplant, dass das erste Treffen live im und am sogenannten „Mittelstand 4.0-Mobil“ des Augsburger Kompetenzzentrums stattfindet – mit Brotzeit und Gesprächen. Dieses Mobil „ist ein einzigartiger Ausstellungsraum auf Rädern, ausgestattet mit praxisnahen Demonstratoren für die Digitalisierung in der Industrie. Die verschiedenen Anwendungen können Besucher*innen live ausprobieren“, erklärt Simon Klose. Und: Unternehmen als auch Multiplikatoren wie Verbände und Kammern können das Mobil kostenfrei zu sich vor Ort anfordern: Genau das hatte das Ingenieurs-Netzwerk auch für die Live-Startveranstaltung lange geplant. Dann kam Corona – und der persönliche Treff fiel dem Virus zum Opfer, konnte also selbst nur „digital“ ablaufen. Immerhin waren 43 Menschen der virtuellen Veranstaltung zugeschaltet, davon zwölf Studierende.
Das Bindeglied zwischen diesen kommenden studierenden Datenschatz-Hebern, die in Teams agieren werden, und den betreuten Firmen sind sogenannte „Coaches“, Fachleute wie Hubert Würschinger zum Beispiel. Der Mitarbeiter vom „Lehrstuhl für Ressourcen- und Energieeffiziente Produktionsmaschinen“ der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen, kurz RE²P-FAU, hat viel Erfahrung damit, Datenschätze zu sammeln und auszuwerten.
Helen Landhäußer von der LOOXR GmbH hat ebenfalls viel Erfahrung mit dem Heben von Datenschätzen. Die Ausgründung der Mader GmbH & Co. KG mit Firmensitz in Leinfelden-Echterdingen entstand, weil bei den Kunden des Druckluft- und Pneumatik-Spezialisten Mader „das Fehlerproblem ganzheitlich angegangen wurde“ und aus den Digitalisierungs-Erfahrungen ein eigenes Geschäftsfeld entstand, wie Landhäußer berichtete. „2018 kam die Ausgründung, seither agieren wir gezielt und unabhängig von Mader am Markt. Key Take-Aways“, nennt sie das so entstandene „neue Geschäftsmodell. Vielleicht geht es schneller, als wenn man eine Digitalisierungsvisionsstrategie erstellt. Dieses neue Potenzial kann auch entlang des Prozesses entstehen, wie man bei uns sieht“, so Helen Landhäußer.
Für „Wir-heben-Deinen-Datenschatz“-Organisator Matthias Barbian ist „diese Strategie Best Practice: Einfach mal loslegen, etwas auszuprobieren“. Seine Hoffnung: Möglichst viele Unternehmen und Studierende finden, die sich darauf einlassen. „Auch Ausgebildete und Auszubildende können übrigens mitmachen: Das Projekt ist nicht nur Akademiker*innen vorbehalten. Je gemischter die Teams, desto besser“, ergänzt er. Zunächst werde mit einer Studierendengruppe gestartet, mit Hubert Würschinger vom Lehrstuhl RE²P-FAU als „Haupt-Coach“. Geplant sei natürlich, mehrere Gruppen zur Hebung von Datenschätzen unterschiedlicher Themenfelder zusammen zu bekommen, betont Matthias Barbian. Das soll spätestens am 22. Oktober geschehen: Da geht „Wir heben Deinen Datenschatz“ in die zweite Runde – mit dem ersten persönlichen Treffen am „Mittelstand 4.0-Mobil“ in Franken.
Doch auch für die im Mai gestartete Runde 1 sind bereits mindestens sechs Aktionen geplant. Schon am nächsten Montag, 15. Juni 2020, läuft der Online Workshop „Machine Learning Basics in der Cloud mit Google CoLab“. Gut eine Woche später, am Mittwoch, 24. Juni 2020, folgt die „Einführung: Datensätze der LOOXR GmbH“ und Erläuterung der Ziele durch Helen Landhäußer mit anschließendem 90-Minuten-Workshop und offener Diskussion – natürlich Online.
Organisator Barbian betont aber: „Ohne die über 20 engagierten Helfer*innen und Coaches wäre diese Veranstaltungsreihe nicht möglich. Stellvertretend für alle danke ich Frau Professorin Dr. Manuela Weller, Christine Hader, Reiner Müller und Franz-Josef-Herchenbach“ sowie den in diesem Beitrag erwähnten Personen. Nicht vergessen möchte er „Frank Seiferth und Kay Hölzemann von SEITEC / seioTec: Die beiden haben die Webseite für „Wir heben deinen Datenschatz“ erstellt.“
Und außerdem setzt Matthias Barbian auf „die Anmeldung weiterer interessierte Firmen, Studierender oder Fachkräfte. Die ist bei mir per Mail jederzeit möglich“.
Info:
Mail-Kontakt: Matthias Barbian matthias.barbian@barbian2050.com
Näheres auf www.wir-heben-deinen-datenschatz.de